Lehrstuhl für Paläontologie & Geobiologie
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Paläontologie: Neuer Raubdinosaurier mit markanter „Augenbraue“

Ein Expeditionsteam um Oliver Rauhut hat in Kirgisistan zwei Exemplare einer neuen Raubdinosaurierart gefunden. Der Fund ist einer der bedeutendsten in Zentralasien.

21.08.2024

Raubdinosaurier (Theropoden) sind eine der wichtigsten Großgruppen der Dinosaurier, zu denen neben Tyrannosaurus oder Allosaurus auch unsere heutigen Vögel gehören. Von ihnen sind aus der Zeit des Erdmittelalters, dem Zeitalter der Dinosaurier, eine Vielfalt von Gruppen bekannt. Ähnlich wie es Löwen heute überwiegend in Afrika und Tiger nur in Asien gibt, war zum Beispiel der Allosaurus im Jura in Nordamerika und im südwestlichen Europa verbreitet, während in China die ähnlich großen Metriacanthosaurier lebten. „Die Region zwischen Zentraleuropa und Ostasien galt allerdings noch als Terra incognita, da bisher keine großen jurassischen Theropoden aus dieser riesigen Region bekannt waren“, erklärt Professor Oliver Rauhut von der LMU-Fakultät für Geowissenschaften und der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München (SNSB-BSPG).

Alpkarakush 1

Rekonstruktion von Alpkarakush kyrgyzicus
© Joschua Knüppe

Ein neuer Fund verbessert nun die Datenlage erheblich: Alpkarakush kyrgyzicus heißt der erste in Kirgisistan gefundene theropode Dinosaurier. Die ersten Knochen des Fossils wurden bereits 2006 vom kirgisischen Paläontologen Aizek Bakirov entdeckt. Der Fundort liegt in den gebirgigen Wüstengebieten nahe der Stadt Taschkömür im Westen Kirgisistans. Die dortigen Ausgrabungen fanden in der Balabansai-Formation statt, deren Sedimente während der mittleren Jurazeit vor ca. 165 Millionen Jahren abgelagert wurden.

Während mehrerer Grabungskampagnen im Zeitraum von 2006 bis 2023 wurden Schädelknochen, Rücken- und Beckenwirbel, Fragmente des Schultergürtels und der Vordergliedmaßen sowie der fast vollständige Beckengürtel und die Hintergliedmaßen eines etwa acht bis neun Meter langen Raubdinosauriers geborgen. Es handelt sich um eine neue Gattung und Art, die bisher unbekannte Merkmale aufweist. Besonders eindrucksvoll ist seine extrem vorstehende „Augenbraue“ am sogenannten Postorbitale, einem Schädelknochen hinter der Augenöffnung, die auf das Vorhandensein eines Horns an dieser Stelle hinweist. Andere einzigartige Merkmale finden sich an den Rückenwirbeln und am Oberschenkelknochen. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Studie ist kürzlich in der Fachzeitschrift Zoological Journal of the Linnean Society erschienen.

alpkarakush 2 

Die Paläontologen bargen die Fossilien aus den Ton-, Silt- und Sandsteinen der sogenannten Balabansai-Gesteinsformation, nahe der Stadt Taschkömür im westlichen Teil Kirgisistans.
© Oliver Wings

Neuer Fund schließt Wissenslücke über Raubsaurier

Der Vergleich mit zahlreichen anderen Theropoden zeigt, dass die neue Art ebenfalls zu den Metriacanthosauriden gehört, also nahe mit den großen Raubdinosauriern Ostasiens verwandt ist. Die Paläontologen vermuten den Ursprung der Metriacanthosauriden und anderer wichtiger Theropodengruppen in Südostasien, von dort breiteten sie sich über Zentralasien und Europa auf andere Kontinente aus. „Obwohl die Zugehörigkeit von Alpkarakush zu den Metriacanthosauriden nicht unbedingt eine Überraschung ist, schließt dieser Fund doch eine gewaltige Lücke in unserer Kenntnis der jurassischen Theropoden und führt zu wichtigen neuen Erkenntnissen zur Evolution und Biogeographie dieser Tiere“, so Oliver Rauhut, der Erstautor der Studie.

An derselben Fundstelle wurden auch die Überreste eines zweiten, etwas kleineren Exemplars von Alpkarakush kyrgyzicus gefunden. Untersuchungen des inneren Knochenaufbaus ergaben, dass es sich bei dem großen Exemplar um ein fast erwachsenes, mindestens siebzehn Jahre altes und sicherlich schon geschlechtsreifes Tier handelte, während das kleinere Individuum ein Jungtier ist. Möglicherweise war hier vor 165 Millionen Jahren ein Elterntier mit seinem Jungen unterwegs.

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Tiere der Balabansai-Gesteinsformation, Mittlerer Jura, Kirgisistan
© Joschua Knüppe

Von allen wichtigen Knochen des Alpkarakush wurden im Rahmen der Arbeit zusätzlich per Photogrammetrie digitale 3D-Modelle erstellt. „Diese Modelle sind jetzt online verfügbar und erlauben es Forschenden weltweit, sowohl Folgestudien durchzuführen als auch 3D-Drucke anzufertigen“, freut sich Co-Autor Dr. Oliver Wings, Leiter des Naturkundemuseums Bamberg.

Benannt ist das Fossil nach Alpkarakush, einem riesigen Vogel im mythologischen kirgisischen „Manas“-Epos, der den Helden in kritischen Momenten oft zu Hilfe kommt. Der Artname „kyrgyzicus“ verweist direkt auf die Kirgisische Republik, den Herkunftsort des neuen Raubsauriers. Alpkarakush kyrgyzicus könnte sogar das erste in Kirgisistan ausgestellte Dinosaurierskelett überhaupt werden: Wenn sich genügend Unterstützer finden, ist die Aufstellung des rekonstruierten Skeletts inklusive aller originalen Knochen im Historischen Nationalmuseum in Bishkek geplant.

Oliver Rauhut, Aizek Bakirov, Oliver Wings, Alexandra Fernandes & Tom Hübner: A new theropod dinosaur from the Callovian Balabansai Formation of Kyrgyzstan. Zoological Journal of the Linnean Society 2024