Lehrstuhl für Paläontologie & Geobiologie
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Europäische Grundeln: Neue Informationsquelle zur Evolution

Ein Team um LMU-Paläontologin Bettina Reichenbacher kann erstmals zeigen, dass „Gehörsteine“ und Skelettmerkmale Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Fischarten erkennen lassen.

25.07.2023

gobius_cruentatus_250Die Evolution der Europäischen Grundeln enträtseln. Das Bild zeigt ein Exemplar der Art Gobius cruentatus. | © Uli Schliewen / SNSB-ZSM

Gobiidae (Grundeln) gehören zu den artenreichsten Gruppen der Meeres- und Süßwasserfische Europas. Sie werden in der Regel nicht sehr groß (maximal 10 cm), halten sich ganz überwiegend am Boden der Gewässer auf, und tragen mit ihrer Häufigkeit und Vielfalt ganz erheblich zur Funktionalität der verschiedenen Ökosysteme bei. Ein wichtiger Aspekt der Forschung an heutigen Grundeln zielt auf das Verständnis ihrer Evolutionsgeschichte mit Hilfe molekularer Methoden und unter Verwendung von Fossilien. Die Fossilien sind deshalb wichtig, weil nur sie ein direkter Beweis dafür sind, welche Grundeln es vor vielen Millionen Jahren bereits gab.

Allerdings ist es eine wissenschaftliche Herausforderung, fossile Grundeln genau zu klassifizieren, also herauszufinden, mit welchen heutigen Grundeln sie am nächsten verwandt sind. Molekulare Methoden stehen für Fossilien natürlich nicht zur Verfügung, dafür aber ihre Hartteile, nämlich die Knochen ihrer Skelette, Zähne, Schuppen sowie ihre ‚Gehörsteine‘, die Otolithen. Otolithen sind Biomineralisationen im Innenohr der Grundeln (beziehungsweise aller Knochenfische). Sie sorgen vor allem für den Gleichgewichtssinn, die Orientierung sowie für die akustische Kommunikation der Tiere. Ob jedoch Hartteile wie Skelettmerkmale oder Otolithen die genaue Klassifizierung eines Grundel-Fossils ermöglichen, war bisher nicht eindeutig lösbar.

Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Professorin Bettina Reichenbacher vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU sowie dem GeoBio-Center der LMU hat nun einen umfassenden Datensatz zu den Skelettmerkmalen und Otolithen heutiger europäischer Grundeln im Zoological Journal of the Linnean Society vorgestellt. Die Forscherinnen und Forscher dokumentieren, dass die Morphologie der Otolithen die Klassifizierung auf Gattungs- und Artenebene und sogar zwischen nahe verwandten Zwerggrundeln erlaubt und dass Skelettmerkmale und morphometrische Otolithenvariablen für eine Grundel-Linie diagnostisch sein können. Das Team schlussfolgert, dass die neuen Daten ein wertvolles Referenzinstrument zur Beurteilung der Verwandtschaftsverhältnisse fossiler Grundeln darstellen. „Unsere Ergebnisse ebnen den Weg für die zukünftige Erforschung von Grundel-Fossilien im Kontext ihrer heutigen verwandtschaftlichen Beziehungen um so zur Kenntnis der Evolutionsgeschichte dieser hochinteressanten Gruppe signifikant beizutragen“, sagt Reichenbacher.

 

Original Publikation

Reichenbacher, B., Vukić, J., Šanda, R., Schliewen, U. K., Esmaeili, H. R., & Kassar, A.: Skeletal traits and otoliths can unravel the relationships within European Gobiidae (Gobius lineage sensu lato). Zoological Journal of the Linnean Society, 2023