Lehrstuhl für Paläontologie & Geobiologie
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Komplexe Verwandtschaftsverhältnisse

Einem internationalen Forscherteam unter Leitung von LMU-Paläontologin Bettina Reichenbacher gelingt es erstmals, Fossilien einer der artenreichsten Fischgruppen in einen Stammbaum einzuordnen.

11.07.2022

Grundeln sind eine der artenreichsten Fischgruppen der Meere und Süßgewässer, sie sind weltweit verbreitet und mit etwa 2300 Arten, die sich auf acht Familien verteilen, auch höchst divers. Zu verstehen wie, warum und wann es zu dieser Vielfalt kam, ist überaus kompliziert.

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Urtümlich und doch spezialisiert: Rhyacichthys guilberti Dingerkus & Séret 1992 von den Solomon Inseln. Seine Körperform ist eine Anpassung an schnell strömende Gewässer.

Zur Lösung dieser Fragen können Fossilien von Grundeln ganz konkret beitragen, sind sie doch das direkte Zeugnis der Grundelvielfalt vor vielen Millionen Jahren. Allerdings muss man dazu herausfinden, ob die fossilen Grundeln einer der heutigen Familien angehören, und wenn ja, welcher. Und dieses Problem konnte bislang nicht, oder nur unzureichend, gelöst werden. Denn die einzelnen Familien der Grundeln haben im Lauf ihrer Evolution nur wenige neue Merkmale, sogenannte Apomorphien, erworben. Und von diesen wichtigen Merkmalen sind in fossilen Grundeln oder Gobioidei, so der Fachname, in aller Regel nur wenige überliefert. Daher konnten bislang die meisten fossilen Grundeln nicht, oder nur mit einer hohen Unsicherheit, einer Familie zugeordnet werden.

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Seltene urtümliche Schönheit in ihrem natürlichen Lebensraum: Protogobius attiti Watson & Pöllabauer 1998 aus Neukaledonien.

Um dieses Problem zu lösen, nutzte ein internationales Forscherteam unter Leitung von LMU-Paläontologin Bettina Reichenbacher den bereits bekannten molekularen Stammbaum der Grundeln und ergänzte die molekularen erstmals mit morphologischen Daten.

Durch diese Technik konnten dann fossile Grundelarten dem etablierten Stammbaum der heutigen Grundeln „hinzugefügt“ werden. Oder, anders ausgedrückt, die Fossilien wurden im Stammbaum ihrer heutigen Nachkommen „platziert“. Dabei landeten einige der Fossilien im Stammbaum dort, wo sie in früheren Studien bereits vermutet wurden, andere fanden sich nun in ganz neuer, teilweise überraschender, familiärer Umgebung. „Wir halten unseren Ansatz für wegweisend für alle weiteren phylogenetischen Untersuchungen an fossilen Grundeln“, sagt Reichenbacher. Die Forscher erhoffen sich dadurch ein besseres Verständnis der Evolutionsgeschichte dieser faszinierenden Fische.

Publikation: An integrative phylogenetic approach for inferring relationships of fossil gobioids (Teleostei: Gobiiformes)