Millionen Jahre alte Fischfossilien entdeckt
Forscher um die LMU-Paläontologin Bettina Reichenbacher haben im Rift Valley in Kenia zahlreiche Fischfossilien gefunden. Sie verraten Entscheidendes über die Evolutionsgeschichte.
14.03.2013
Wo sich früher Fische im Wasser tummelten, liegen heute nur noch Steine und Geröll. In der Gebirgskette Tugen Hills in Kenia sind die Paläontologie-Professorin Bettina Reichenbacher und ihre Mitarbeiter auf acht Fundstätten von Fischfossilien gestoßen. „Es ist sehr selten, dass so viele Fischfossilien auf einmal entdeckt werden und diese dann auch noch so gut erhalten sind“, sagt Bettina Reichenbacher vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften, Paläontologie und Geobiologie an der LMU.
Nun lagern die Fossilien, die zwischen zehn und zwölf Millionen Jahre alt sind, für zwei Jahre in der Paläontologie in München. Dank der Zusammenarbeit mit der Egerton-Universität in Kenia konnten die Münchner Forscher die Fossilien zur wissenschaftlichen Bearbeitung mit nach Deutschland nehmen. Bettina Reichenbacher zieht Schublade um Schublade eines alten Holzschranks auf, in denen die Fossilien aufbewahrt werden. Klar zeichnen sich die Fische auf dem verschiedenfarbigen Gestein ab. Einzelne Fische sind vollständig, bei anderen sind Flosse oder Kopf sehr gut zu sehen, mitunter ist sogar Knochenmaterial erhalten. Die Artenvielfalt der Fossilien ist auch für den Laien gleich zu erkennen. Bettina Reichenbacher nimmt ein Fossil in die Hand – „ein Buntbarsch“, sagt die Paläontologin. Vermutlich werden viele neue Arten dabei sein.
Im heutigen Afrika gibt es an die 3000 Arten von Süßwasserfischen. Diesem Artenreichtum stehen weniger als 60 fossil überlieferte Arten gegenüber, weil bislang vor allem nur einzelne Zähne und Knochen von Fischen gefunden wurden. „Die Auswertung der von uns gefundenen Fossilien wird uns wesentliche Informationen über die Evolution der Fischfauna nicht nur in Kenia, sondern in ganz Afrika geben“, sagt Bettina Reichenbacher.
Wie sah die Welt damals aus?
Fossilienfunde sind wichtig, um die Evolutionsgeschichte zu verstehen. Paläontologen interessieren sich dabei nicht nur für die Anatomie der Fossilien, sie können auch Rückschlüsse auf die damalige Umwelt und das damalige Klima ziehen. „Wir können anhand der Fossilien zum Beispiel erkennen, ob die Fische in tropischen Seen lebten oder in Gewässern, die in Trockengebieten lagen“, sagt Bettina Reichenbacher. So können die Wissenschaftler Aussagen darüber treffen, wann im Zeitalter des mittleren Miozäns die tropischen Wälder kleiner wurden und Grasländer mit geringem Baumbestand aufkamen. Das ist evolutionsgeschichtlich von Bedeutung, da die Entstehung von Grasländern die Entwicklung der Hominiden, der Vorläufer des heutigen Menschen, geprägt hat.
Das Rift Valley in Kenia gilt als Wiege der Menschheit seit Anthropologen dort die Überreste menschlicher Urahnen gefunden haben. Es zählt zu den weltweit bedeutendsten Fundorten von Hominidenfossilien.
„Unsere Vermutung ist, dass die Fische durch den Einfluss des Vulkanismus gestorben sind. Viele Fischfossilien haben ein geöffnetes Maul, was dafür sprechen könnte, dass sie erstickt sind“, sagt Bettina Reichenbacher. Der Vulkanismus könnte zugleich dafür gesorgt haben, dass die Fische heute so gut erhalten sind. Sie wurden womöglich unter einer Ascheschicht begraben und dadurch vor Verwitterung und Verwesung geschützt.
Wie lebten die Fische?
Die Berglandschaft der Tugen Hills, in denen die Fossilien gefunden wurden, ist nicht erschlossen. Die Wissenschaftler wurden bei ihrer Exkursion in dem unwegsamen Gelände von der kenianischen Orrorin-Community-Organisation unterstützt, einem lokalen Verein, der sich für die Erschließung des Fossilienreichtums der Tugen Hills einsetzt.
In den gefundenen Lagerstätten haben die Wissenschaftler vorsichtig Schicht um Schicht des Gesteins abgetragen, um die Fossilien aus dem Stein zu bergen. Die herausgeschlagenen Steinplatten mit Fossilien wurden direkt vor Ort von einem Mitarbeiter der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie konserviert.
Bettina Reichenbacher und ihr Team sind gerade von der Exkursion aus Kenia zurückgekommen, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wurde. Nun beginnt die Auswertung der Fossilien, bei der die Wissenschaftler anhand der Anatomie der Fische Schritt für Schritt ihre Verwandtschaft mit heutigen Arten und ihre Lebensweise rekonstruieren – „eine fast kriminologische Arbeit“, wie Bettina Reichenbacher sagt. Doch am Ende der Auswertung wird sie mit einer klaren Vorstellung davon belohnt, wie die Fische aussahen, die sich vor Millionen Jahren im Wasser der heutigen Tugen Hills tummelten, welche Arten es waren und in welcher Umwelt sie lebten.