Lehrstuhl für Paläontologie & Geobiologie
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Entwicklungsgene mit langer Vergangenheit

LMU-Paläontologen untersuchen die embryonale Entwicklung der Wirbelsäule bei Nilkrokodilen und blicken hunderte von Millionen Jahren zurück in die Evolutionsgeschichte.

17.09.2015

krokodil_260Die embryonale Entwicklung der Wirbelsäule bei Nilkrokodilen folgt noch heute einem Genaktivitätsmuster, das demjenigen der gemeinsamen Saurier-Vorfahren von Vögeln und Krokodilen ähnelt. Das berichten Forscher um Gert Wörheide, Inhaber des Lehrstuhls für Paläontologie und Geobiologie der LMU, im internationalen Fachmagazin Evolution & Development. Foto: PRILL Mediendesign / fotolia.com

Die embryonale Entwicklung der Wirbelsäule wird von sogenannten Hox-Genen gesteuert, die als übergeordnete Schalter die Aktivität anderer Gene regulieren. Sie legen fest, welche Wirbel gebildet werden und wie diese auf der Wirbelsäule verteilt sind. Obwohl die Anatomie der Wirbelsäule bei Wirbeltieren sehr verschieden ist, unterscheiden sich ihre Hox-Gene nur wenig. Das liegt daran, dass bestimmte Hox-Gene nur für bestimmte Bereiche der Wirbelsäule zuständig und auch nur in diesen Körpersegmenten aktiv sind. Es zeigt sich also während der embryonalen Entwicklung ein charakteristisches Aktivitätsmuster. Dieses Hox-Aktivitätsmuster haben die LMU-Wissenschaftler um Gert Wörheide zum ersten Mal beim Nilkrokodil (Crocodylus niloticus) umfassend untersucht. „Unsere Daten ergänzen die Ergebnisse einer früheren Untersuchung am Alligator, sodass wir ein allgemeines Aktivitätsmuster für Krokodile ableiten konnten“, sagt Gert Wörheide. 

Genaktivität spiegelt evolutionäre Veränderungen wider

Die LMU-Wissenschaftler verglichen zudem die Hox-Aktivitätsmuster bei der embryonalen Entwicklung der Wirbelsäule von Krokodilen mit denen von Vögeln und Säugetieren. Der Vergleich zeigte, dass beim Krokodil prinzipiell die gleichen Hox-Gene aktiv sind wie in den entsprechenden Körperpartien der anderen Großgruppen, sich ihre Aktivitätsmuster aber deutlich unterscheiden. Während bei Krokodilen die Zuständigkeit für die einzelnen Wirbel relativ gleichmäßig auf die Hox-Gene verteilt ist, gibt es bei Säugetieren und Vögeln eine deutlichere Clusterbildung, bei der einzelne Gene für größere Bereiche zuständig sind. Bei Vögeln ist dies etwa im Bereich der Halswirbelsäule der Fall, bei Säugetieren bei den Brustwirbeln – also in den Bereichen, die im Lauf der Evolution jeweils die größten Veränderungen durchmachten.

Nach Ansicht der Wissenschaftler spiegeln diese Änderungen die evolutionäre Entwicklung der Wirbelsäule wider. „Im Vergleich zur evolutionären Entwicklung der Wirbelsäule von Vögeln und Säugetieren ist die Wirbelsäule von Krokodilen bis heute relativ einheitlich geblieben. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das ursprüngliche Hox-Aktivitätsmuster für den letzten gemeinsamen Vorfahren von Krokodilen und Vögeln dem des heutigen Krokodils ähnelt“, sagt Christine Böhmer, Erstautorin der Studie. „Passend zu den morphologischen Änderungen der Wirbelsäule im Lauf der Evolution von Vögeln und Säugetieren hat sich dann die Aktivität der Hox-Gene verändert, während die Anzahl der Gene gleich geblieben ist.“

Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler die Hox-Aktivität weiterer Wirbeltier-Spezies untersuchen, um den Zusammenhang zwischen der Aktivität von Entwicklungsgenen und der Embryonalentwicklung der Wirbelsäule noch besser zu verstehen und neue Einblicke in die Evolution der Wirbelsäule zu erhalten.
(Evolution & Development 2015 )