Lehrstuhl für Paläontologie & Geobiologie
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Tag der offenen Tür der Paläontologie und Geobiologie München

Tiefe Einblicke in paläontologische und geobiologische Forschungs- und Sammlungsarbeit

17.02.2014

Eine bizarre Fortpflanzungsmethode überdauert Krisen der Erdgeschichte: Die LMU-Paläontologin Matzke-Karasz rekonstruiert erstmals Riesenspermien von 16 Millionen Jahre alten Muschelkrebsfossilien.

Muschelkrebse (Ostrakoden) des Süßwassers wachsen bei der Fortpflanzung im wahrsten Sinne des Wortes über sich hinaus. Sie produzieren fadenförmige Riesenspermien, die oftmals länger sind als sie selbst. Dass sie mit dieser Methode evolutionsgeschichtlich sehr erfolgreich sind, konnte nun Dr. Renate Matzke-Karasz, Privatdozentin für Geobiologie am Department für Geowissenschaften der LMU zeigen.

Der LMU-Paläontologin ist es erstmals gelungen, direkt in Millionen Jahre alten Fossilien Riesenspermien nachzuweisen. „Wir können das Spermium auf Zellniveau abbilden. Sowohl der Zellkern als auch eine markante Einstülpung der Zellhülle sind erhalten“, sagt Matzke-Karasz. Dabei sehen die Spermien nicht anders aus als die heutiger Muschelkrebse. „Wir erkennen im Fossil die typische Verdrillung des Spermiums und seiner Zellorganellen, wodurch sich ein Aussehen ergibt, das an ein Seil erinnert. Das Erstaunliche an unserm Fund ist, dass sich die Fortpflanzungstechnik dieser Kleinkrebse bis heute nicht geändert zu haben scheint.“

Die Fossilien lagen etwa 16 Millionen Jahre im australischen Sediment, bevor Matzke-Karasz sie zusammen mit Kollegen mit modernsten technischen Mitteln untersuchte: Sie durchleuchtete 66 Ostrakoden-Fossilien an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble mithilfe der Synchrotron-Röntgentomografie, einem bildgebenden Verfahren ähnlich der Computertomografie. Erstmals nutzte die Wissenschaftlerin dabei auch die hochauflösende Nanotomografie. „Mit diesen Methoden können wir die fossilen Spermien im dreidimensionalen Raum rekonstruieren“, sagt Matzke-Karasz. Muschelkrebse sind nur wenige Millimeter groß, doch ihre Spermien können bis zu einem Zentimeter lang werden.

Ostrakoden gibt es schon seit 500 Millionen Jahren. Sie sind dank ihres verkalkten zweiklappigen Gehäuses sehr häufig versteinert und damit heute noch nachweisbar und teils sehr gut erhalten. Mit den fossilen Klappen können Sedimente datiert und frühere Umweltbedingungen rekonstruiert werden. Doch nur in seltenen Fällen überdauern auch die Weichteile. Die Organe, die für die Übertragung der Riesenspermien nötig sind, konnten Matzke-Karasz und Co-Autoren bereits an Fossilien aus der Kreidezeit nachweisen, die in der berühmten Santana-Formation im Osten Brasiliens gefunden worden waren.

Opulente Fortpflanzungstechnik