Lehrstuhl für Paläontologie & Geobiologie
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Verborgene Schätze der Tiefsee

Internationale Expedition birgt wirbellose "Lebende Fossilien"

22.12.2009

Einmal „Deep Down Under“ und zurück: Mit spektakulären Entdeckungen ist ein deutsch-australisches Expeditionsteam von den Riffen des Queensland Plateaus und des Großen Barriere-Riffs vor Australien zurückgekehrt. In den letzten drei Wochen haben die Geobiologen dort nach wirbellosen „lebenden Fossilien“ wie bestimmten Schwämmen, Stachelhäutern, Kaltwasserkorallen und dem Perlboot Nautilus gesucht. „Die Ökosysteme der Tiefsee am Queensland Plateau haben sich in den letzten Millionen Jahren fast nicht verändert“, sagt der LMU-Forscher Professor Gert Wörheide, der die Expedition zusammen mit Dr. Carsten Lüter vom Museum für Naturkunde Berlin und Professor Joachim Reitner von der Universität Göttingen leitete. „Wir hatten vermutet, dass hier Organismen, die schon als ausgestorben galten, seit dem Ende des Mesozoikums vor 65 Millionen Jahren einen Lebensraum gefunden haben. Und tatsächlich sind uns bei dieser Expedition einige spektakuläre Entdeckungen gelungen.“ Manche davon wurden von der 13-köpfigen Wissenschaftler-Crew bei Tauchgängen in den Flachwasser-Riffen entdeckt, während andere Spezies aus der Tiefsee geholt wurden: Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten untersuchte ein mit einem Greifarm bewehrtes ferngesteuertes Fahrzeug (ROV) in knapp einem Kilometer Tiefe den Meeresboden im Dienste der Wissenschaft – und brachte einige Tiefseespezies zum ersten Mal ans Tageslicht. Nun müssen die Funde ausgewertet sowie mit Fossilien, aber auch lebenden Arten, verglichen werden.

Hier lässt sich die Evolution einfach etwas mehr Zeit: An den von dunklen Höhlen durchsetzten Tiefseeriffen vor Australien siedeln Populationen wirbelloser Arten, die lange als ausgestorben galten, tatsächlich aber seit mehr als 65 Millionen Jahren überdauern. Diese außergewöhnliche Meeresfauna ist seit den 1970er Jahren bekannt, wurde von Wörheide und Kollegen erstmals aber zwanzig Jahre später erforscht. Eine detaillierte Untersuchung war zu dieser Zeit aber noch nicht möglich. Der Geobiologe ist nun mit einem 13-köpfigen Team und modernster Technik zurückgekehrt, um den Geheimnissen der lebenden Fossilien an den australischen Riffen auf die Spur zu kommen. Die Logistik für ein solches Unterfangen ist beträchtlich, denn das Arbeiten in Unterwasserhöhlen ist aufwändig – und gefährlich.

Gemeinsam ist den an extreme Umweltbedingungen angepassten Höhlenbewohnern sowie den Tiefseeorganismen, dass sie sehr langsam wachsen und deshalb oft ausgesprochen langlebig sind. So gibt es etwa koralline Schwämme, die hunderte Jahre alt sein können. Damit sind ihre Kalkskelette eine Art Archiv für die Klimaentwicklung: Bis ins Detail lassen sich anhand der hier – wie in Baumringen – gespeicherten Daten die Temperaturkurven der Vergangenheit rekonstruieren, was besonders für die Klimadebatte von Interesse ist. „Funde einer anderen Expedition haben bereits gezeigt, dass sich die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre und im Meerwasser in den letzten 150 Jahren dramatisch verändert hat“, sagt Wörheide, der dies an korallinen Schwämmen untersuchte. „Das ist der massiven Verbrennung von Kohle durch die Industrialisierung geschuldet.“

Die jetzt beendete Expedition soll ein Fenster in die Vergangenheit öffnen – mit Einblicken bis in die Erdgeschichte und Evolution vor Hunderten von Millionen Jahren. An der gebotenen Vielfalt mangelt es nicht, denn zur Ausbeute gehörten unter anderem diverse Korallentypen, die seltenen gestielten Crinoiden, also Seelilien, und auch Armfüßer (Brachiopoden). Gesammelt wurden aber auch Steine, die mit Biofilmen bewachsen sind. Die darin angesiedelten und sehr spezifischen mikrobiellen Gemeinschaften sollen nun identifiziert und charakterisiert werden. Zum wohl ersten Mal in australischen Gewässern fand das Team einen Vertreter der Monoplacophora. Von diesen „Urmollusken“, also frühen Weichtieren, gibt es heute nur noch wenige Arten, von denen sehr wenig bekannt ist. Die Forscher stießen aber auch auf ein Lithistiden-Riff. Lithistiden oder Steinschwämme sind Kieselschwämme, die vor allem aus der Kreide- und Jurazeit bekannt sind.

Igelwürmer, die sogenannten Echiuriden wurden zum Teil in großen Ansammlungen gefunden, wobei die Tiere ihre rund einen Meter langen Rüssel im Sediment auslegen. Für Nautilus sind dagegen Tentakeln die Waffe der Wahl beim Beutefang. Das „Perlboot“ ist einer der ursprünglichsten Kopffüßer und damit für das Expeditionsteam ebenfalls von großem Interesse. Die Forscher konnten einige interessante Verhaltensweisen dieser Weichtiere beobachten. So gab es etwa Hinweise, dass Nautilus – anders als bislang vermutet – wohl auch tagsüber frisst. Ein anderes Highlight der Expedition war eine neue koloniale Art des korallinen Schwammes Vaceletia. „Diese bislang nur vom Queensland-Plateau bekannte Art blickt auf mehrere Hundert Millionen Jahre Entwicklungsgeschichte zurück, lebt heute in Riffhöhlen und trägt dort zur Riffbildung und Verfestigung bei“, berichtet Wörheide, der sich intensiv mit dieser Gruppe beschäftigt. Wir konnten einige Exemplare bergen und wollen daran nun die Grundprinzipien der Biomineralisation untersuchen.“  (suwe)

Ansprechpartner: Professor Gert Wörheide

Verantwortlich für den Inhalt: Pressestelle der LMU